Eine unendliche Geschichte

Seit 70 Jahren wird in Sillian bereits diskutiert, wie man das Ortszentrum entlasten könnte. Es gab Varianten südlich und nördlich des Marktes, lange Strecken unter Einbindung von Heinfels oder kurze Lösungen nur für den Ortskern. Es wurden Tunnel im Norden geplant oder Straßen entlang der Waldgrenze im Süden. Jetzt liegt eine neue Variante auf dem Tisch. Der neu gewählte Sillianer Gemeinderat wird sich die nächsten Monate intensiv damit auseinandersetzen – und zwar nur mit diesem Vorschlag: Alle anderen Überlegungen („Süd-Hoch“, Nordvariante) werden vom Land Tirol aus technischer Sicht, aber vor allem aus Kostengründen nicht mehr weiterverfolgt.

 

Was ist neu?

Die „Variante 2021“ folgt nahezu deckungsgleich dem geplanten Straßenverlauf von 2009. Die Gemeinde Heinfels ist nicht mehr Teil der Umfahrungslösung. Die Gesamtstrecke misst knapp 4,4 km, davon laufen 1,4 km in Tunnel, 1,9 km in freier Strecke, der Rest sind Wannen, Hochwasserschutz und Brücken.


Die größte technische Herausforderung ist die unterirdische Querung der Drau. Diese wurde im Zuge des Hochwasserschutzprojektes kürzlich eingetieft, deshalb muss die neue B100 in entsprechender Tiefe unter dem Bachbett geführt werden.  Die Strecke folgt bahnparallel bis Weitlanbrunn und wird dann nahe der Grenze wieder dem Straßenverlauf eingebunden. Sowohl im Bahnhofsbereich als auch in Arnbach sehen die Planer noch Optimierungspotential.

 


Die Strecke im Detail

Westlich des Parkplatzes der Hochpustertaler Bergbahnen entsteht ein Kreisverkehr mit Anbindung der Gemeindestraßen ins Ortszentrum. Die Verlegung des Gärberbaches Richtung Norden ist erforderlich, um schnell eintauchen zu können – zuerst in einer Wanne, dann im Asthof-Tunnel. Mit 450 Meter ist das auch die längste der insgesamt vier Unterflurtrassen, sie verläuft etwa 80 Meter östlich der Siedlung Aue. Im Gewerbegebiet Mair kommt die Straße wieder auf Talboden-Niveau. Hier sind dann auch die Abfahrten ins Gewerbegebiet bzw. in Richtung Sillian-Mitte über die neue Überfahrtsbrücke geplant. Ein Tunnel unter der Brücke führt dann weiter in jenen Bereich, der im Zuge des Wildbachverbauung am Stenker- und Krummbaches bereits hochwasserschutztauglich ausgeführt ist. Die neue Hofstelle Schmieder wird mit einem Tunnel entlang der Bahn umfahren, der im Bereich des Wichtelparks dann in eine fast 1,1 km lange freie Strecke übergeht. Der Parkplatz des Hotels Weitlanbrunn ist ebenso untertunnelt. In der Höhe des Gewerbegebiets Arnbach wird eine 80 Meter lange Brücke über die Bahn und Gemeindestraße gespannt, in Folge ist hier die Abfahrt ins Ortszentrum bzw. die Einbindung in die bestehende Bundesstraße geplant.

 

Enorme Eingriffe, hohe Kosten

Das Land Tirol nimmt für die Realisierung viel Geld in die Hand. Die Kosten steigen um etwa 40 Mio. Euro gegenüber der geplanten Variante 2009. Das hängt vor allem von den längeren Unterflurtrassen oder den Hochwasserschutzmaßnahmen ab. Die Talquerung ist dabei besonders anspruchsvoll und dementsprechend kostenintensiv. Trotz allem wird diese Umfahrungslösung als die „günstigste“ aller geprüften Möglichkeiten gesehen. Die von Alt-Bgm. Hermann Mitteregger ins Spiel gebrachte, in Sillian von vielen favorisierte „Süd-Hoch-Variante“ – eine Strecke, die entlang der Waldgrenze von Arnbach bis Tassenbach führen und damit auch Heinfels entlasten sollte – wird aus kosten- und verkehrstechnischer Sicht abgelehnt. Neue Studien würden eine solche Variante nicht rechtfertigen, heißt es. Zu gering wäre der Entlastungseffekt, auch im Hinblick auf den Ziel- und Quellverkehr.

 


Die nächsten Schritte

Will man dieses Projekt weiterverfolgen, kommen auf jeden Fall arbeitsintensive Zeiten auf die neue Gemeindeführung zu. Dabei sollte nicht die Trassenführung diskutiert werden - die steht aus Bauherrensicht ohnehin bereits fest - sondern es müssen viele offene Fragen beantwortet werden.

Noch im Frühjahr wird deshalb eine detaillierte Visualisierung der Variante präsentiert werden. Sie ist in den folgenden Diskussionen zugleich eine wichtige Entscheidungshilfe.

Wie nimmt zum Beispiel ein innerörtliches Verkehrskonzept Rücksicht auf die vorliegende Variante? Der untere Abschnitt des Ortsteils Aue wird auf jeden Fall mehr belastet werden, weil neue Gemeindestraßen über den Kreisverkehr Ost angebunden werden. Im Gegenzug profitiert der obere Teil der Aue wesentlich vom neuen Konzept. Die Fahrzeuge müssen nicht mehr bis ins Ortszentrum fahren, um auf die Bundesstraße, in Zukunft Gemeindestraße, zu kommen.

Welchen Einfluss hat die Straßenplanung auf die Skischaukel-Anbindung im Süden? Hier gibt es von Seiten der Betreiber konkrete Vorstellungen und Pläne. Auch Grundstücke wurden bereits angekauft, die jetzt von der neuen Straße berührt werden.

Für den Wichtelpark gibt es ebenfalls ein touristisches Konzept, inklusive Anlegung eines Badeteiches im Nahbereich der neuen B100. Inwiefern hier die Variante 2021 oder das Tourismus-Projekt abgeändert werden kann, muss geklärt werden.

Gefordert ist die offizielle Marktgemeinde auch im Hinblick auf die Verhandlungen mit den Grundeigentümern. Hier gilt es, akzeptable Lösungen zu entwickeln. Nicht immer ist hier die Höhe der Grundeinlösen entscheidend, auch bauliche Verbesserungen oder eventuelle Ersatzflächen spielen in solchen Diskussionen eine Rolle.

Eines steht jetzt schon fest: Die Umfahrung ist kein Wunschkonzert und das Land Tirol wird der Marktgemeinde diese Variante sicher nicht aufdrängen. Sie kann sich auch dagegen entscheiden. In spätestens 10 Jahren wird dann – wie seit den 1950er-Jahren - neu bewertet und neu diskutiert. Und in der Zwischenzeit wird weiterhin viel Verkehr durch das Ortszentrum fließen.

- Peter Leiter


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